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"Guten Morgen, ihr Lieben, Weihnachten…" rückt näher blabla, Kinderaugen leuchten blabla, an die Arbeit, schon klar
Morgendliche Betriebsversammlung in der Fertigungshalle des Weihnachtsmanns, und Puck stand, eingeklemmt zwischen lauter aufgeregten Elfen, mittendrin. Um ihn herum 'die Lieben' in ihren bonbonbunten Kleidern, mit vor Eifer roten Wangen und glänzenden Augen als hätten sie Fieber, sauber, adrett und herausgeputzt. Das war doch echt alles zum Heulen. Und wie sie jetzt drängelten und schubsten, nur um 'als Erster' an die Arbeit zu gehen!
Puck folgte sehr viel langsamer und ziemlich niedergeschlagen, er ging zu seinem Platz, holte sich noch seinen Schemel, auf den er immer steigen musste, um überhaupt an den Hebel der Zuckerstangenmaschine ranzukommen, und zog daran. Eigentlich musste er ab jetzt nur noch aufpassen, dass die Zuckerstangen alle 'schön ordentlich' waren, das keine zerbrochen oder verzogen oder nur halb war, 'Qualitätskontrolle, Puck, das ist ein sehr verantwortungsvoller Posten'! Ja, verantwortungsvoll vielleicht schon, aber furchtbar langweilig und Puck hätte ja viel lieber bei der Spielzeugherstellung geholfen. Durfte er ja nur nicht, also, nicht mehr, weil da immer irgendwas schief gegangen war.
Bei den Puppen, zum Beispiel, also Puck hatte es hübsch gefunden, dass die struppige und in alle Himmelsrichtungen abstehende Haare hatten so wie er, aber die Elfen fanden das nicht so schön, und der Weihnachtsmann hatte auch den Kopf geschüttelt. Oder bei den Feuerwehrautos, da war es ja auch lustig gewesen, dass die statt Wasser rote Tinte spritzten! Da konnte man wenigstens sehn, ob man getroffen hatte! Die Eisenbahn, die immer aus den Schienen sprang und die er extra so gebaut hatte, dass die dann auch richtig schön spektakulär auseinanderfiel, und viele andere Gelegenheiten mehr, nie war was 'richtig' gewesen. Noch nicht mal er war 'richtig', weil er war ja nicht mal ein Elf, sondern ein Kobold. Der einzige Kobold hier, übrigens.
Nicht mal halb so groß wie die Elfen, mit Kleidern, die, auch wenn er sie ganz neu anzog, nach nur zweimal Umdrehen, einen Riss bekamen und geflickt werden mussten, mit feuerroten, wild in alle Richtungen abstehenden Haaren, einem spitzen Kinn und kleinen Haarbüscheln ganz am Ende seiner spitzen Ohren.
Ein bisschen weinerlich war ihm schon, als er sich auf seinen Schemel plumpsen ließ, und sogar DAS Keiner bemerkte. Also dass er nicht mehr auf die Zuckerstangenmaschine aufpasste. Die tat ihren Dienst auch so, und überhaupt so langweilig! Zuckerstangen in Form einer Zuckerpuppe, DAS wär doch mal was!
Jetzt kam wieder Leben in den kleinen Kerl, seine Haare, die eh schon aussahen als hätte der Blitz drin eingeschlagen, schienen fast noch ein bisschen mehr und ein bisschen wilder abzustehn, als er vom Schemel aufsprang und durch die Halle flitzte, als wär die Zahnfee hinter seiner ganz besonders famosen Lücke zwischen den Schneidezähnen her, durch die es sich so herrlich schrill pfeifen ließ!
Ein Schraubendreher musste her, den 'lieh' er sich bei den Uhrmachern, weil ihm die anderen zu groß waren, Lötkolben und Zinn, und ein bisschen hiervon und ein bisschen davon und zuletzt ein Säckchen glitzernden Elfenstaub, damit die Zuckerpuppen auch schön glitzerten, am Schluss!
Er konnte die Maschine ja jetzt schlecht anhalten, und solange sie lief, konnte er sie auch nicht umbaun, aber er nutzte die Zeit um das Werkzeug zu verstecken und dann ganz gewissenhaft seiner höchst verantwortungsvollen Aufgabe nachzukommen, die Zuckerstangenmaschine zu überwachen. Wenn es doch nur schon Abend wäre! Wenn er nur schon anfangen könnte!
Das hieß... Er KONNTE ja schon anfangen! Eine Form für die Puppen bauen, und er wusste auch ganz genau, wie die Form auszusehen hatte! Wie das Fräulein Petrullia Glitzerfein!
Hach, was war sie hübsch, eine Elfe mit einer Haut wie Milch und Lippen wie Brombeermarmelade, mit einem Lächeln wegen dem draußen schon mal der Herr Knut Schneemann von Eis zu Schneewehe fast seine Kohlestückchen am Bauch verloren hätte! Mit ganz dunkelhoniggelben Haar und ganz eisblauen Augen!
Mit Feuereifer machte er sich an's Werk und mochte nicht mal zum Abendbrot, bei dem er nur herumzappelte und lauthals krähte dass er ja furchtbar müde wäre von seinem höchst verantwortungsvollen Posten beim Aufpassen, und das er jetzt sofort ins Bett musste!
Und genau da ging er auch hin, in sein Bett nämlich, weil er genau wusste dass abends die Halle abgeschlossen wurde. Jaha, er wusste das, aber er wusste auch, dass er klein und wendig genug war um nämlich DOCH reinzukommen!
Was war das für ein Warten bis endlich alle schliefen, Puck lag mit laut klopfendem Herzen in seinem Schuhkarton-Bett - auf das er übrigens sehr stolz war, denn darin lagen früher ja die Stiefel vom Weihnachtsmann! - und knibbelte an dem losen Stück Pappe herum. Ob er wohl fertig wurde? Die Zuckerpuppe wie Fräulein Petrullia Glitzerfein aussehn würde? Ob der Weihnachtsmann ihn vor aller Augen den allergrößten Erfinder und Zuckerpuppenherstellmaschinenbauer nennen würde? Vielleicht bekam er ja sogar einen Orden!
Endlich war alles ruhig und Puck konnte hinüber in die Halle flitzen, wo er sich mit ein bisschen Mühe und einem ein bisschen lauteren 'Ratsch' durch das Weihnachtsmäuseloch zwängte, worüber übrigens die Weihnachtsmäuse nicht so besonders erfreut waren. Aber bis die fertig waren mit ihren winzigen Rentier… nein, Weihnachtsmäusegeweihen zu schütteln, war Puck schon längst durch und in der Halle, und der neue Riss in seiner Hose fügte sich sehr apart zu den anderen geflickten Stellen.
Und dann ging es los, erst schraubte Puck ganz vorsichtig die große Platte ab, um ans 'Innenleben' der Maschine zu kommen, und sobald er das geschafft hatte, war er am werkeln und hämmern, klopfen und löten und umstecken und umbaun, dass es eine wahre Freude war!
Hier ein Draht gekappt, dafür da ein neuer gezogen, da war es von Vorteil so klein zu sein! Denn Puck machte sich das Leben leicht und krabbelte einfach zur Gänze in die Maschine, nur hin und wieder sah man zwischen den ganzen Zahnrädern und Riemen, zwischen den Bändern und anderen Bauteilen einen feuerroten Haarschüppel, ein andermal ein Bein, oder einen Arm, bevor er wieder völlig verschwand. Ganz zuletzt, es war schon früher Morgen und er hatte gerade den Sack Elfenstaub in den Trichter gefüllt, machte Puck sich noch daran die ganze Zuckerpuppenherstellmaschine über und über mit bunten Lichtern zu behängen, damit der Weihnachtsmann sie auch ja bemerkte!
"Guten Morgen, ihr Lieben…" Jaha, und WAS für ein Morgen! "…ihr wisst ja…" gaaar nichts! Nänänänääänääää!
Puck war ja sowas von aufgeregt! Er stand schon an seinem Hebel, auf seinem Schemel und wartete nur darauf dass der Weihnachtsmann den Startschuss geben würde, als… ja, als ihm plötzlich auffiel, dass ganz oben an der Maschine, da wo die Zuckermasse eingefüllt wird, er vergessen hatte, das Rohr wieder richtig hinzubiegen! Ohne Rohr keine Zuckermasse und ohne Zuckermasse keine Zuckerpüppchen!
Behände kletterte Puck auf die Maschine und mühte sich mit einem Rohr, das er kaum umfassen konnte, und nun klemmte das dumme Ding auch noch! Und der Weihnachtsmann war gleich fertig mit seiner Ansprache!
Keuchend und schimpfend hing Puck am Rohr, zog und zerrte, ruckelte und ruckte, aber es wollte sich nicht lösen, und da! Da liefen schon alle los an die Arbeit!
Und jetzt kam auch noch Grumbrummel Fassbauch, weil er nicht sah, dass Puck doch längst an der Maschine war!
Mit dem Mut der Verzweiflung hing sich Puck jetzt mit seinem ganzen Gewicht von immerhin fast ganz einem Kaninchen ans Rohr, strampelte und hopste, und das Rohr gab nach! Endlich war es so, wie es sein sollte! Nur, wie sollte Puck jetzt wieder auf die Maschine kommen? Er hing am Rohr über dem Trichter und die sichere Kante war weit weg!
Es kam, wie es kommen musste. Grumbrummel Fassbauch entschloss dass die Maschine laufen musste und zog den Hebel nach unten, es blubberte im Rohr und Pucks Beine kamen in die Zuckermasse, die in mitzog und in den Trichter fallen ließ.
Die Maschine ächzte und krachte und knirschte und quietschte, weil da ja kein Kobold drin landen sollte, sondern nur die Zuckermasse, es klapperte und schepperte so laut, dass Alle angelaufen kamen, sogar der Weihnachtsmann und Fräulein Petrullia Glitzerfein. Und wie sie so auf die Maschine starrten, da kam die erste Zuckerfigur heraus. Puck.
Über und über zuckrig, weiß-rot gestreift und gepunktet und sogar ein bisschen kariert und glitzernd vom Elfenstaub. Nur seine Ohren waren noch röter als sein Haarschopf und röter sogar als der brombeerrote Zuckerguss, der eigentlich hätte Fräulein Petrullia Glitzerfeins Zuckerpuppenlippen zieren sollen.
Ganz still war es in der Halle, als jetzt alle mit großen Augen Puck anschauten, und noch ein bisschen stiller wurde es, als der Weihnachtsmann mit spitzen Fingern Pucks Kragen fasste, ihn hochhob bis vor sein Gesicht und ihn laaaaaaaaaaaaaaaange ansah. So still, dass man draußen sogar die Schneeflocken die Luft anhalten hörte!
"Das bist doch Du, oder, Puck?" Der Kobold schüttelte heftig den Kopf und nickte gleich drauf, weil ja eh keiner glauben würde, dass er eigentlich eine Weihnachtsmaus ist, dazu fehlte ja das Geweih; er schaute aus ängstlichen Augen den Weihnachtsmann an, weil der so komisch dreinsah, und erschrak sich fast zu Tode, als der zu lachen anfing. Er lachte dass ihm der Bauch wackelte und die Elfen lachten und Fräulen Petrullia Glitzerfein lachte auch, nur das Lachen von Puck war ein bisschen wacklig und piepsig und nicht so überzeugend. "Du frecher, kleiner Kobold, das war Dein letzter Streich in der Fabrik!"
Da rutschte Puck schon das Herz in die Hose, als der Weihnachtsmann das sagte und ihn, zuckrig wie er war, wieder auf die Füße stellte. "Aber weil Du ein Kobold bist, und Kobolde nun mal so sind, darfst Du ab heute neue Spielzeuge erfinden!" Damit war ein Traum wahr geworden, aber das allerbeste kommt, wie immer, zum Schluss.
Da kam nämlich das Fräulein Petrullia Glitzerfein, sah Puck an und lachte und gab ihm einen Kuss. "Du bist süß, Puck! Zuckersüß!"
__________________ Anders sein kann auch bedeuten, sich nicht jedes Mal zu häuten, wenn der Wind sich einmal dreht, schmerzhaft ins Gesicht Dir weht!
Nach dem eig'nen Weg zu suchen, auch einmal für and're bluten! Nicht die Augen zu verschließen, und den Gegenwind genießen!
(Eric Fish - Anders sein)
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